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Der Apfelbaum – ein Märchen

Es war einmal ein Junge. Der Junge hatte ein kleines Apfelbäumchen. Er hatte große Freude an seinem Bäumchen und hegte und pflegte es, so gut er nur konnte. Als der Baum seine ersten paar Früchte trug, war der Junge außer sich vor Freude. Sorgfältig, beinahe zärtlich, pflückte er die wenigen, winzigen Äpfel und legte sie in sein Körbchen. Er dankte seinem Baum für die erste Ernte und versprach, sich im nächsten Jahr noch besser um ihn zu kümmern.

Und tatsächlich verbrachte der Junge in der nächsten Saison noch mehr Zeit bei seinem Bäumchen, sprach mit ihm, berührte es und beschützte es nach Kräften vor allem Ungemach. Des Jungen Bemühungen wurden belohnt, denn bei der nächsten Ernte waren die Äpfel ein ganzes Stück größer und schöner, und es waren beinahe doppelt soviele. Der Junge bedankte sich abermals bei seinem Baum und verkündete, sich im folgenden Jahr nochmals besser um ihn kümmern zu wollen. Dieses Spiel wiederholte sich viele Male und der Junge wuchs zu einem jungen Mann heran. Er verbrachte jede verfügbare Minute bei seinem Apfelbaum, der mittlerweile schon eine stattliche Erscheinung geworden war. Die Früchte waren üppig und süß, schon lange passten sie nicht mehr in einen Korb. Der junge Mann erntete sie auf einer hohen Leiter stehend und warf sie in einen Leiterwagen.

Die Äpfel wurden von Ernte zu Ernte mehr. Längst schon konnte der junge Mann sie nicht mehr alleine aufessen oder für seinen eigenen Bedarf weiterverarbeiten. Stattdessen fuhr er mit dem Leiterwagen zum Markt, wo er für die schönen Früchte gutes Geld bekam. Er mochte dieses Geld, denn es gab ihm das Gefühl, dass die Anstrengungen für seinen geliebten Baum gewürdigt wurden. Und eines Tages, als er genügend Geld zusammengespart hatte, kaufte er das kleine Stück Land neben seinem Apfelbäumchen. Es war nicht viel, aber Platz genug für ein paar weitere Bäume. Er sprach mit seinem treuen Baum und erzählte ihm von seinen Plänen: „Mein lieber Baum, bald schon wirst du nicht mehr alleine stehen. Ich werde deine Kinder in die Erde setzen und sie lieben und behüten, wie ich es einst mit dir getan habe.“ Der Baum erhob keinen Einspruch und der junge Mann setzte acht kleine Apfelbäumchen in die Erde seines neuerworbenen Landes.

Hingebungsvoll kümmerte er sich um jedes einzelne und versuchte ihnen die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, wie dereinst seinem ersten Bäumchen. Was natürlich nicht im gleichen Ausmaß gelang, denn dafür waren es schon zu viele. Dennoch gediehen die Bäume prächtig und einige Jahre später fuhr der Mann die Ernte bereits mit seinem eigenen Traktor ein. Er hatte noch mehr zusätzliches Land erworben, viele Bäume in die Erde gesetzt und war weithin bekannt für seine erstklassigen Äpfel. Er konnte gut wirtschaften und hatte es bereits zu einigem Wohlstand gebracht. Hin und wieder ging er noch zu seinem alten Apfelbaum, hatte aber keine Zeit mehr, um mit ihm zu sprechen. Er musste viele geschäftliche Termine wahrnehmen, denn seine Äpfel waren bis weit über das Dorf hinaus bekanntgeworden und wurden auch in umliegende Städte geliefert. Er verkaufte seine Äpfel nun viel billiger, denn er musste den Preis an viel größere Betriebe anpassen, um konkurrenzfähig zu sein. Das machte aber nichts, denn er produzierte auf seiner Farm so viele Äpfel, dass er vom Profit ein großes Haus bauen hatte können. Die Erntearbeit verrichteten jetzt seine Mitarbeiter, er konnte sich auf die Vermarktung und strategische Aufstellung seines Betriebes konzentrieren. Auf den Wiesen wurde mit schweren Maschinen gearbeitet, große Investitionen, die sich erst nach Jahren amortisierten. Aber der Mann verstand es zu wirschaften und die Farm florierte. Seinen alten Apfelbaum hatte er hingegen schon seit Jahren nicht mehr besucht; er war nicht mehr ertragreich und wurde mehr geduldet als geschätzt.

Der Mann musste die Preise für seine Produkte immer weiter senken, denn das taten seine Mitbewerber auch. Aber die produzierten Mengen und die Effizienz der Produktion wuchsen so schnell an, dass der Profit jedes Jahr größer wurde. Viele Menschen hatten auf der Farm gearbeitet, aber seit der Mann eine halbautomatische Ernteanlage beschafft hatte, wurden nur mehr sehr wenige Mitarbeiter benötigt. Die anderen wurden weggeschickt. Für die Anlage hatte der Mann sich sehr stark verschuldet, doch solange die Umsätze zumindest stabil blieben, konnte er die Kredite leicht bedienen. Doch just im nächsten Jahr war die Natur ungnädig, es gab sehr späten Frost, etliche Hagelschäden und Überschwemmungen machten den Wiesen zu schaffen. Es konnten bei weitem nicht genug gute Äpfel geerntet werden und der Mann musste schnell handeln. Im nächsten Frühling wurden die Bäume mit einem neuartigen Spezialdünger behandelt, der ausschließlich für Obstbäume gedacht war und einen enormen Ertragszuwachs versprach. Die wenigen verbliebenen Mitarbeiter, die den mittlerweile ergrauten Mann und seine Bäume schon viele Jahre begleiteten, waren sehr beunruhigt über die chemische Substanz aus völlig unbekannten, ja sogar geheimen Zutaten und rieten ihm dringend von der Verwendung ab. Doch der Mann hatte sehr, sehr viel Geld für die Düngemittel ausgegeben, sich dafür sogar nochmals verschuldet, und sah darin die einzige Hoffnung für seine Farm. So wurde der neuartige Dünger ausgebracht, gegen alle Einwände der Arbeiter.

Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Die Bäume erblühten in kürzester Zeit zu voller Pracht und trugen die größten und schönsten Früchte, die der Mann je gesehen hatte. Nach einigen Monaten stand die Farm wieder gut da und die akute Krise war überwunden. Durch das neue Düngemittel waren die Produktionsmengen nochmals deutlich gestiegen und der Mann hatte neuerlich in große Maschinen investiert, um dem Rechnung zu tragen. Den Arbeitern war das Düngemittel immer noch unheimlich, doch der Mann bestand darauf, in der kommenden Saison noch mehr davon einzusetzen, wofür er sich abermals in große Schulden stürzte. Doch diesmal schienen die Bäume nicht so recht in Schwung kommen zu wollen, die Triebe waren recht kümmerlich und die Arbeiter gerieten in Sorge.  Der älteste von ihnen, er arbeitete schon seit vielen Jahren für den Mann, nahm diesen eines Tages beiseite und beschwor ihn, die Chemikalie nicht wieder einzusetzen, weil es die Bäume auf lange Sicht zerstören würde. Da geriet der Mann in Wut und warf seinen treuen Helfer hinaus. Daraufhin wagten die verbliebenen Arbeiter nicht mehr, das Thema überhaupt anzusprechen.

Der Wunderdünger wurde von Jahr zu Jahr in immer größerer Menge ausgebracht, doch trotzdem sank der Ertrag. Die Bäume waren müde und ausgelaugt. Die Arbeiter auf den Wiesen konnten es deutlich sehen, doch der Mann hatte nur noch seine erdrückende Schuldenlast im Kopf – und die sinkenden Umsätze, mit denen er seine finanziellen Verpflichtungen einfach nicht mehr erfüllen konnte. Die Apfelbäume begannen zu sterben und die Arbeiter sahen keine Hoffnung mehr für die Farm und die Bäume, denen sie all die Jahre soviel Zuwendung und Aufmerksamkeit gewidmet hatten. Sie packten ihre Sachen und liefen davon. Der Mann, verzweifelt und zerfressen von Sorgen, verfluchte seine Leute, denn er hielt sie in seinem eigenen Schmerz für treulose Verräter. Er setzte sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder selbst in einen Traktor und fuhr ziellos seine weitläufigen Gründe auf und ab. Überall bot sich ihm das gleiche Bild: vertrocknende, sterbende Gewächse, die den nahenden Winter nicht überstehen würden. Er würde seine ausstehenden Zahlungen nicht begleichen können und alles verlieren.

Erst in diesem Augenblick höchster Not besann sich der Mann seiner alten Liebe, des Apfelbäumchens, mit dem sein Weg vor Jahrzehnten begonnen hatte. Er musste eine Weile überlegen, um sich an den Weg zu erinnern. Doch dann fuhr er mit hoffnungsfrohem Herzen los, denn er war sich sicher, bei seinem ersten Baum, der inzwischen ein knorriger Riese sein musste, nochmals Mut und Kraft finden zu können. Als der Mann die richtige Stelle endlich gefunden hatte, stieg er aus seinem Traktor und ging den kurzen Weg zum ältesten und kleinsten seiner Grundstücke. Er sah sich um und fiel nach einem Augenblick ungläubigen Staunens weinend auf die Knie. Er kniete vor einem leblosen Gerippe, mehr einem verwitterten Felsen gleichend, denn einem alten Baum. Sein alter Gefährte war vor langer Zeit gestorben und stand wie ein zorniges Mahnmal inmitten einer öden Karrikatur dessen, was einmal eine saftig grüne Wiese gewesen war. Der alte Mann hatte in blindwütiger Gier seine Böden so stark überdüngen lassen, dass auch die ältesten und schon längst nicht mehr wirtschaftlich genutzten Pflanzen eingegangen waren. Das Land war tot.

Der Mann richtete sich auf und ging langsam zu den Überresten seines alten Bäumchens. Er umarmte den vertrockneten Stamm und verweilte regungslos. Bilder aus längst vergangenen Zeiten huschten an ihm vorbei. Unbarmherzig spielte ihm sein Unterbewußtsein vor, wie er dem Baum einst versprochen hatte, dessen Kinder zu behüten und vor Unheil zu bewahren. Der Mann bat den toten Baum wortlos um Vergebung für sein Versagen und seinen Frevel, doch der Baum antwortete nicht. Da lief der Mann so schnell er konnte zurück zu seinem Traktor und kam mit einem geflochtenen Seil zurück. Er schlang das Seil um den dicksten Ast des toten Baumes und erhängte sich daran. Niemand suchte in dem abgelegenen Teil der Farm nach dem Mann und seine Überreste gingen mit der Zeit in die  Erde über. Der tote Mann und der tote Baum waren wieder vereint und blieben es für alle Zeiten.

Das universelle Recht auf Unrecht

Vor einigen Tagen hörte ich eine Radiosendung über die unsäglichen Vorgänge in österreichischen Kinderheimen (siehe z.B. die Presse). Über dieses erschütternde Thema geriet ich derartig in Rage, dass ich in aller Social Media-Öffentlichkeit gegen eine eherne Regel des Österreichertums verstieß: Ziehe niemals einen Vergleich zwischen den grauenhaften Verbrechen der Menschheit während der NS-Zeit und den grauenhaften Verbrechen der Menschheit davor und danach. Ich verstehe zwar nicht wieso, aber man darf das auf keinen Fall tun.

Ich tat es dennoch und bezeichnete die Lager, in denen Kinder von einem staatlich/kirchlichen, äußerst diskreten Unrechtsapparat wie Sklaven gehalten, physisch und psychisch gefoltert und ganz nach Belieben ausgebeutet wurden, in einem facebook-posting als Kinder-KZ. Der erwartet empörte Aufschrei folgte auf dem Fuße. Was genau soll nun aber an diesem Vergleich so so inakzeptabel sein?

Ein unbestrittener Unterschied besteht darin, dass die Vernichtungslager der Nazis im Endeffekt der Ermordung ihrer Insassen dienten, was bei Kinderheimen natürlich nicht der Fall ist. Zehntausende Kinder kamen zwar völlig zerstört, aber medizinisch betrachtet lebendig aus den Heimen der aktuell medienpräsenten Zeit heraus. Doch beides steht für institutionalisierte Grausamkeit und systemimmanentes Unrecht – die Grenzen sind fließend. So fließend, dass ich sie nicht als Grenzen anerkenne. Wo immer ein Machtgefälle auf derart absurde Weise überhöht und zum Mittelpunkt eines geschlossenen Systems gemacht wird, wo totale Rechtlosigkeit auf der einen und faktische Allmacht auf der anderen Seite herrschen, tritt die wahre Natur des Menschen ans Tageslicht: grausam, heimtückisch, feige.

Ob das nun aus rassistischen, politischen, religiösen oder sonstigen Motiven passiert ist schlicht irrelevant. Menschen werden unterdrückt, gequält, ausgebeutet, körperlich und seelisch zerstört. Ob Nazi-Vernichtungslager, US-Foltercamp, chinesisches Arbeitslager, Gaza, Nordkorea, Somalia, katholisches Kloster oder österreichisches Kinderheim. All die Untaten wurden und werden letztlich nicht vom „System“ begangen, sondern von einzelnen Menschen. Und diese Menschen handelten und handeln im entscheidenden Moment nicht aus politischen Gründen. Sondern aus persönlicher Grausamkeit. Stets wohlbehütet von einer Mauer des Schweigens, erbaut aus Obrigkeitshörigkeit und pervertiertem Pflichtbewusstsein. Weil zwischen dem Menschen und seiner monströsen Natur ganz offensichtlich nichts weiter steht als Mangel an Gelegenheit.

Aber solange die Menschheit sich weigert, die auffälligen Gemeinsamkeiten quer durch alle Zeitalter, Kontinente und Regime zu erkennen und es stattdessen primär darauf ankommt, ob eine Opfergruppe eine starke Lobby hinter sich hat oder eben nicht, kann sich daran auch nichts ändern.

Meine Haltung dazu wird höchstwahrscheinlich als schwere Verletzung der political correctness betrachtet. Und wenn ich auf diesen erbärmlichen Verwandten der Diplomatie jemals Wert gelegt hätte, wäre ich mit großer Sicherheit ein erfolgreicherer Netzwerker und mit noch größerer Sicherheit wirtschaftlich wesentlich besser aufgestellt, als ich es bin. Aber mit größter Sicherheit könnte ich mich nicht mehr im Spiegel ansehen.

Eines noch zum Thema Nationalsozialismus: schon unsere Großelterngeneration wurde für ihre Argumentation „Wir hatten ja keine Ahnung!“ mehr als schief angeschaut. Wie werden wir eigentlich unseren Enkelkindern in 50 Jahren erklären, dass wir von den unaussprechlichen Vorgängen auf unserem Planeten, die wir diesmal 24/7 per HD-Livestream inklusive Nachtsichtmodus auf unsere Kommunikationsspielzeuge geliefert bekamen, doch wirklich nicht die geringste Ahnung hatten? Es wäre natürlich viel bequemer, die Schweinereien eines halben Jahrhunderts ein weiteres Mal der übernächsten Generation zur „Aufarbeitung“ umzuhängen, aber soll es ewig so weitergehen? Menschen leiden und sterben JETZT. Gegenwarts- statt Vergangenheitsbewältigung – unserer Rasse einzige Hoffnung.

unoptimistisch,
AY

Pat Metheny Unity Band, 29.06.12, Konzerthaus Wien

Pat Metheny vor seinem OrchestrionNein, ich schreibe keine Rezension über Pat Methenys Konzert. Das wäre völlig überflüssig. Er ist ein rundherum kompletter Musiker.

Von all der Verehrung und dem ganzen Musikerkram mal abgesehen ist mir während des Konzerts folgender Gedanke in den Sinn gekommen:

Pat Metheny ist für mich wie ein geliebter Onkel, der hin und wieder auf Besuch kommt, um Geschichten aus seinem Leben zu erzählen. Man freut sich schon lange vorher auf seine Ankunft, setzt sich zu ihm hin und hört einfach gerne zu, weil er immer etwas spannendes zu erzählen hat, und einem in jeder Lebenslage irgendwie weiterhelfen kann. Einfach schön.

Oz Noy Trio, 08.05.12, Porgy&Bess Wien

Nachdem ich (mehrfach) darauf hingewiesen wurde, dass meine Quasi-Konzertkritiken auf Facebook nicht wirklich gut aufgehoben sind, poste ich sie ab sofort hier im Blog…

Scofield und Johnson sind an Oz Noy nicht spurlos vorbeigegangen, Henderson noch viel weniger. Dennoch spricht er mit eigener Stimme, und die hat Profil und eigenständigkeit. Ein feiner Gitarrist.

Auf einer solchen rhythm section ist aber auch leicht fliegen und Darryl Jones/Dave Weckl überstrahlen selbst die abgefahrensten Fusion-Exkursionen mit geradezu übermenschlichem groove. Die Zusammen-/arbeit der Beiden ist einfach zu beschreiben: absolute Perfektion

Oz Noys Kompositionen sind originell, witzig, intelligent und auch die unvermittelt eingeworfenen, schwer rockenden rhythm changes kommen gut, genauso wie „Perverted Monk“.

Ein Power-Fusion-Trio auf allerhöchstem Niveau, das keine Wünsche offen lässt. Prädikat multiple ohrgasms. Geil. 😀

Griechenland und die Troika

Es ist medial erstaunlich still geworden um unser aller „Problemkind“ Griechenland, das doch noch vor wenigen Tagen drohte, EU-Bürgers Traum vom geeinten Finanzspielplatz Europa zu zerstören.

Ich bin während der Kampfberichterstattung an einem (aus gesamteuropäischer Sicht) wohl völlig unerheblichen Detail hängengeblieben. Da hieß es nämlich, der hellenische Mindestlohn würde von unglaublichen EUR 720,- auf EUR 600,- reduziert werden. Einige Berufsgruppen müssten mit einem um ein Viertel reduzierten Jahresbezug leben, bzw. eben sterben. Das sei halt so in einer Krise. Ich musste dabei unweigerlich an Lukas Resetarits‘ zeitlosen Klassiker „Die Krise“ aus den 80ern denken. (Konnte leider auf die Schnelle nichts im Web dazu finden.)

Nun sind 720 Euro nicht direkt viel, 600 Euro allerdings noch deutlich weniger und ich stelle mir die Frage, ob jemand an die Möglichkeit gedacht hat, dass es sich tatsächlich schlichtweg NICHT ausgehen könnte mit dem Überleben, was dann zwangsweise ein Sterben mit sich bringen würde. Das würde der mythischen/mystischen „Troika“ wohl kaum den Schlaf rauben, wenn die tragisch Verschiedenen weiterhin gefälligst Steuern zahlen und ordentlich konsumieren würden. Wovon man nicht mit Sicherheit ausgehen sollte.

Nun sind 600 Euro immer noch 600 Euro und wahrscheinlich deutlich mehr, als den zigtausend im Auftrag der „Troika“ kurzfristig wegrationalisierten Angestellten zur Verfügung stehen dürfte. Und spätestens bei diesen Menschen dürfte die Theorie der alten Gäule („Troika“ ist ja eigentlich die Bezeichnung für ein bestimmtes Pferdegespann) nicht mehr auf die praktische Realität zu pressen sein.

Diese vom Papier getilgten Menschen existieren jenseits des Troika-Horizonts nämlich noch. Und sie werden über kurz oder lang wütend werden. Sie bekommen nämlich durchaus mit, wie sich die selbsternannten Retter, oftmals bar jeglicher Fachkompetenz, mit ihrer Weitsicht und ihren heroischen Bemühungen brüsten. Während gleichzeitig immer mehr tatsächliche Spezialisten zu bedenken geben, dass die Rechnung schlichtweg nicht aufgehen kann. Weil sie auf Basis einer falschen Annahme erstellt wurde. Nämlich der, dass man ausgabenseitig radikal den Hahn zudrehen kann, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Staatseinnahmen hat. Dafür sollte eine Portion Hausverstand genügen, aber das ist offenbar schon zuviel verlangt.

Spielen Sie denn nicht aus Freude an der Musik?

Vor kurzem spielte ich auf Vermittlung eines gemeinsamen Bekannten mit einer Sängerin im Duo ein kurzes Medley aus älteren Popsongs mit neuen, satirischen Texten auf einer Veranstaltung. Nichts aufregendes, einfach nur eine lustige, lockere Angelegenheit. Die Sängerin war eigentlich keine Sängerin, was ja zur Zeit besonders angesagt ist. Die Vorbereitungszeit für den Auftritt beschränkte sich auf ein paar Stunden, die allerdings mangels eines Arrangements oder auch nur einer konkreten Vorstellung recht arbeitsintensiv waren. Eine Gage wurde dafür nicht bezahlt, es handelte sich um eine „lustige“ Veranstaltung, wo kein Geld fließt und man aus Spaß an der Freude partizipiert.Das Problem mit derartigen „Aufträgen“ ist, dass sie mitverantwortlich sind für eine völlig verschobene Wahrnehmung des Musikschaffens und, noch mehr, der Musikschaffenden durch die beachtliche Bevölkerungsgruppe der Nichtmusiker. Gerade solche Konstellationen („…einfach ein paar Lieder, ganz einfach, ganz locker, muss gar nicht professionell klingen, kann nämlich selbst eh nicht so toll singen, muss nur Spaß machen“, etc.) sind nämlich für beteiligte „echte“ Musiker durchaus anspruchsvoll. Es gilt, in kürzester Zeit mit musikalisch völlig unversierten Menschen ein rudimentäres Arrangement zu erstellen. Man kann sich nicht in normaler Musiksprache verständigen. Stattdessen müssen bei jeder winzigen Änderung stets Aufnahmen erstellt und umgehend abgehört werden. Es wird praktisch nie brauchbares Notenmaterial gestellt. Bestenfalls gibt es einen aus dem Web ausgedruckten Text mit ein paar, zumeist falschen, Akkordsymbolen. Und eventuell ein paar Youtube-Links. Das hören wir uns dann einfach raus (das hörst DU dir dann schon raus [denn du bist schließlich der Musiker]). Wahrscheinlich geht sich die Originaltonart dann aber doch nicht aus. Macht ja nichts, spiel es doch mal „ein bisschen“ tiefer. Das ist vielleicht gar sehr tief, geht es ein klein wenig höher? Eine brauchbare Information vorneweg, im Sinne von A-Dur, d-moll, ein Halbton tiefer als die Aufnahme – leider zuviel verlangt. Sei halt nicht so unentspannt.

In Wirklichkeit bekommen die „Auftraggeber“ solcher angeblichen Spaßaktionen eine hochspezialisierte Leistung, die nur eine winzige Gruppe der Menschheit nach jahrzehntelanger Vorarbeit zu leisten imstande ist, gratis und frei Haus geliefert. Und sind sich dessen nicht einmal annähernd bewußt.

Die Quintessenz:
Wir Musiker dürfen nicht erwarten, dass ausgerechnet angesichts der heutigen Medienlandschaft die Menschen uns und unsere Leistung von sich aus verstehen oder gar respektieren. Die meisten Musikverbraucher haben schlichtweg keinen blassen Schimmer von der Komplexität, den Hindernissen und ganz einfach der Länge des Weges von den ersten musikalischen Gehversuchen bis zur Bühnenreife. Wir müssen es ihnen SAGEN. Sie kennen nur die paar Minuten oder Stunden, die wir auf Bühnen verbringen und dabei (hoffentlich) unsere Ernte einfahren. Der vorangegangenen, jahrzehntelangen Kultivierungsarbeit sind sie sich nicht bewusst. Wir müssen es ihnen SAGEN. Auch auf die Gefahr hin, vielleicht wichtigtuerisch zu erscheinen. Man betrachte das immense Selbstbewußtsein, mit dem so manch sogenannt „solide“ Berufsgruppe ihr Schaffen vertritt. Ein Schaffen das jeder durchschnittlich intelligente Mensch ohne besonderes Talent binnen weniger Jahre erlernen kann. Falsche Bescheidenheit ist keine Zier.

Strafe muss sein. Oder so.

EU-Strafen – in diesen angeblich ach so krisengeschüttelten Zeiten immer wieder ein Schlagwort in diversen Medien. Aber wer hat sich eigentlich schon mal konkrete Gedanken darüber gemacht?

Habe ich bisher alles diesbezügliche überlesen oder kann es wirklich sein, dass die vollkommene Absurdität dieser Einrichtung niemandem auffällt, bzw. sauer aufstößt?

Ich male mir da mal ein ganz simples Szenario aus:
Ein EU-Staat verstößt gegen die eine oder andere Richtlinie und wird als „Strafe“ dazu verdonnert, soundsoviel Millionen Euro „EU-Strafe“ zu entrichten. Oder vielleicht auch EUR 40.947,- pro Tag (siehe Vorratsdatenspeicherung Schweden).

Was bedeutet das aber in der Praxis? Staat X bezahlt eine Millionenstrafe an „die EU“. Was ist das für Geld? Woher kommt es? Wohin geht es? Da die Staatsregierung vermutlich nicht ihre privaten Konten plündert, muss diese Summe dem Staatsbudget entnommen werden. Also in letzter Instanz dem steuerzahlenden Bürger. Zusammengefasst: eine Regierung baut Mist, der Steuerzahler zahlt die Zeche nicht nur im Land, sondern auch noch außerhalb. Wegen des Lerneffektes.

Legen wir das ganze Mal auf die EU-Vorgaben bezüglich Staatsverschuldung um. Immer wieder hört man von drohenden oder fälligen Strafzahlungen, die bestimmte Staaten an die EU zu entrichten hätten – weil diese eine zu hohe Neuverschuldung o.ä. aufwiesen. Da wird es richtig pikant: Staat Y ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und in der Todesspirale aus steigenden Kreditzinsen und fallenden Bewertungen der „Rating-Agenturen“ gefangen. Die Staatsschulden werden immer größer und die EU verlangt – ganz im Sinne ihrer Spielregeln – die Zahlung einer „EU-Strafe“. Die ja wiederum aus Steuergeld besteht.

Praktisch betrachtet ist der Staat also fast bankrott, die Bürger stöhnen unter Brachial-Sozialabbau und radikalen Sparpaketen und sollen – quasi um dem unseligen babylonischen Turm der versagenden politischen Kaste eine goldene Krone aufzusetzen – jetzt auch noch für die „EU-Strafe“ aufkommen.

Es ergeben sich nur zwei mögliche Szenarien daraus:

1. Die Gesetze werden nicht exekutiert, die Zahlungen finden nie statt. Die EU-Strafe ist also grober Unfug.

2. Der betroffene Staat vergrößert seine zu hohe Schuldenlast um Kapital zu beschaffen, mit dem dann die Strafe wegen zu hoher Schuldenlast beglichen wird. Es geht unumkehrbar abwärts. Die EU-Strafe ist also grober Unfug.

Was soll der arglose Bürger nun davon halten?

verwirrt,
AY

Endlich ein Blog…

Nun habe ich also auch einen Blog. Endlich. Endlich kann ich euch mit garantiert subjektiven Ansichten und Gedanken zu den Themen versorgen, die euch am meisten interessieren. Oder halt eben nicht.

Jedenfalls werde ich mich hier in unregelmäßigen Abständen auslassen. Schau ma mal ob was draus wird.