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Griechenland und die Troika

Es ist medial erstaunlich still geworden um unser aller „Problemkind“ Griechenland, das doch noch vor wenigen Tagen drohte, EU-Bürgers Traum vom geeinten Finanzspielplatz Europa zu zerstören.

Ich bin während der Kampfberichterstattung an einem (aus gesamteuropäischer Sicht) wohl völlig unerheblichen Detail hängengeblieben. Da hieß es nämlich, der hellenische Mindestlohn würde von unglaublichen EUR 720,- auf EUR 600,- reduziert werden. Einige Berufsgruppen müssten mit einem um ein Viertel reduzierten Jahresbezug leben, bzw. eben sterben. Das sei halt so in einer Krise. Ich musste dabei unweigerlich an Lukas Resetarits‘ zeitlosen Klassiker „Die Krise“ aus den 80ern denken. (Konnte leider auf die Schnelle nichts im Web dazu finden.)

Nun sind 720 Euro nicht direkt viel, 600 Euro allerdings noch deutlich weniger und ich stelle mir die Frage, ob jemand an die Möglichkeit gedacht hat, dass es sich tatsächlich schlichtweg NICHT ausgehen könnte mit dem Überleben, was dann zwangsweise ein Sterben mit sich bringen würde. Das würde der mythischen/mystischen „Troika“ wohl kaum den Schlaf rauben, wenn die tragisch Verschiedenen weiterhin gefälligst Steuern zahlen und ordentlich konsumieren würden. Wovon man nicht mit Sicherheit ausgehen sollte.

Nun sind 600 Euro immer noch 600 Euro und wahrscheinlich deutlich mehr, als den zigtausend im Auftrag der „Troika“ kurzfristig wegrationalisierten Angestellten zur Verfügung stehen dürfte. Und spätestens bei diesen Menschen dürfte die Theorie der alten Gäule („Troika“ ist ja eigentlich die Bezeichnung für ein bestimmtes Pferdegespann) nicht mehr auf die praktische Realität zu pressen sein.

Diese vom Papier getilgten Menschen existieren jenseits des Troika-Horizonts nämlich noch. Und sie werden über kurz oder lang wütend werden. Sie bekommen nämlich durchaus mit, wie sich die selbsternannten Retter, oftmals bar jeglicher Fachkompetenz, mit ihrer Weitsicht und ihren heroischen Bemühungen brüsten. Während gleichzeitig immer mehr tatsächliche Spezialisten zu bedenken geben, dass die Rechnung schlichtweg nicht aufgehen kann. Weil sie auf Basis einer falschen Annahme erstellt wurde. Nämlich der, dass man ausgabenseitig radikal den Hahn zudrehen kann, ohne dass dies eine Auswirkung auf die Staatseinnahmen hat. Dafür sollte eine Portion Hausverstand genügen, aber das ist offenbar schon zuviel verlangt.

Strafe muss sein. Oder so.

EU-Strafen – in diesen angeblich ach so krisengeschüttelten Zeiten immer wieder ein Schlagwort in diversen Medien. Aber wer hat sich eigentlich schon mal konkrete Gedanken darüber gemacht?

Habe ich bisher alles diesbezügliche überlesen oder kann es wirklich sein, dass die vollkommene Absurdität dieser Einrichtung niemandem auffällt, bzw. sauer aufstößt?

Ich male mir da mal ein ganz simples Szenario aus:
Ein EU-Staat verstößt gegen die eine oder andere Richtlinie und wird als „Strafe“ dazu verdonnert, soundsoviel Millionen Euro „EU-Strafe“ zu entrichten. Oder vielleicht auch EUR 40.947,- pro Tag (siehe Vorratsdatenspeicherung Schweden).

Was bedeutet das aber in der Praxis? Staat X bezahlt eine Millionenstrafe an „die EU“. Was ist das für Geld? Woher kommt es? Wohin geht es? Da die Staatsregierung vermutlich nicht ihre privaten Konten plündert, muss diese Summe dem Staatsbudget entnommen werden. Also in letzter Instanz dem steuerzahlenden Bürger. Zusammengefasst: eine Regierung baut Mist, der Steuerzahler zahlt die Zeche nicht nur im Land, sondern auch noch außerhalb. Wegen des Lerneffektes.

Legen wir das ganze Mal auf die EU-Vorgaben bezüglich Staatsverschuldung um. Immer wieder hört man von drohenden oder fälligen Strafzahlungen, die bestimmte Staaten an die EU zu entrichten hätten – weil diese eine zu hohe Neuverschuldung o.ä. aufwiesen. Da wird es richtig pikant: Staat Y ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und in der Todesspirale aus steigenden Kreditzinsen und fallenden Bewertungen der „Rating-Agenturen“ gefangen. Die Staatsschulden werden immer größer und die EU verlangt – ganz im Sinne ihrer Spielregeln – die Zahlung einer „EU-Strafe“. Die ja wiederum aus Steuergeld besteht.

Praktisch betrachtet ist der Staat also fast bankrott, die Bürger stöhnen unter Brachial-Sozialabbau und radikalen Sparpaketen und sollen – quasi um dem unseligen babylonischen Turm der versagenden politischen Kaste eine goldene Krone aufzusetzen – jetzt auch noch für die „EU-Strafe“ aufkommen.

Es ergeben sich nur zwei mögliche Szenarien daraus:

1. Die Gesetze werden nicht exekutiert, die Zahlungen finden nie statt. Die EU-Strafe ist also grober Unfug.

2. Der betroffene Staat vergrößert seine zu hohe Schuldenlast um Kapital zu beschaffen, mit dem dann die Strafe wegen zu hoher Schuldenlast beglichen wird. Es geht unumkehrbar abwärts. Die EU-Strafe ist also grober Unfug.

Was soll der arglose Bürger nun davon halten?

verwirrt,
AY